Wolfgang Waldmüller ist mit einer Schwester und zwei Brüdern in Wien aufgewachsen. Die Mutter war alleinerziehend und voll berufstätig. Er selbst erinnert sich an eine wilde und glückliche Kindheit, in der er und seine Geschwister sehr selbstständig den Alltag gestalten durften und mussten. Zu seiner inzwischen 90-jährigen Mutter hatte er bis zuletzt ein inniges Verhältnis und kümmerte sich liebevoll um sie. In einem Gespräch vor rund zwei Wochen sorgte er sich um seine Familie. Seiner Mutter wollte er ersparen, vor ihr zu sterben. Auf seine Frau und seine Tochter blickte er mit Liebe, Stolz und der Zuversicht, dass sie durch ihre Kraft und Stärke die schwierige Zeit bewältigen werden, wenn er weggegangen sein wird.
Wolfgang wusste um seine Melanom-Diagnose, seine Metastasen, unter anderem im Gehirn, und die bescheidenen Erfolgsaussichten eines weiteren Versuchs mit einer neuen Immuntherapie. Er hoffte wie wir, dass ihm noch Jahre oder zumindest Monate geschenkt sein würden. Wolfgang war ein umfassend gebildeter und belesener Mensch. Vor allem beschäftigte er sich mit Geschichte und Kunstgeschichte, in den letzten Jahren auch mit Familienforschung. Mit seiner eigenen Familie mit jüdischen Vorfahren und anderen Vorfahren mit Nähe zum Antisemitismus. Mit Aufstiegs- und Abstiegsbiographien. Migration. Mit einer Vielfalt von Berufen vom Kaufmann bis zum Kunstmaler. All dies betrachtete er als Mikrokosmos der Kultur-, Sozial-, Welt- und Zeitgeschichte.
Wolfgang Waldmüller liebte aber nicht nur Bücher und Matrikeln, sondern vor allem Menschen. Insbesondere jene, die der Unterstützung und Hilfe bedürfen. Sein Weg in die Behindertenbetreuung war vorgezeichnet - zunächst bei der Lebenshilfe und ab Ende 1999 im Haus der Barmherzigkeit als HABIT-Geschäftsführer. Seinen Entschluss zur Übernahme von Managementaufgaben fasste er zuvor während einer Fußwallfahrt nach Santiago de Compostela, bei der er auch seine andalusische Gattin kennen lernte. Wolfgang wollte nicht nur Menschen mit Behinderung begleiten und betreuen, sondern neue Betreuungskonzepte verwirklichen. Einen Beitrag zur vollen Inklusion von Menschen mit Behinderung leisten. Meilensteine seiner Tätigkeit sind unter anderem: die Ausgliederung von hoch betreuungsbedürftigen Menschen mit Behinderung aus stationären Strukturen in kleine Wohngemeinschaften und deren Weiterentwicklung zu Garconnieren-Verbünden; die Schaffung von Basalen Tageszentren und des Zentrums für Arbeit und Begegnung (ZAB); der Aufbau der mobilen Begleitung sowie Gründungs- und Vorstandsmitglied der Interessensvertretung sozialer Dienstleistungsunternehmen für Menschen mit Behinderung (IVS).
Wolfgang blickte auf sein Leben mit Dankbarkeit. Er war bereit loszulassen, wenn die Therapie nicht ansprechen sollte. Er ahnte allerdings nicht, dass es dann so rasch gehen würde. Am 22. April kam es zu einer akuten Verschlechterung seiner Krankheit und er verstarb zwei Tage später im Krankenhaus. Knapp zwei Wochen vor seinem 61. Geburtstag.
Wolfgang, unser Mitgefühl gilt Deiner Familie, Deinen Freunden und allen, die Dir privat oder beruflich nahegestanden sind. Wir trauern um Dich! Wir vermissen Dich! Aber vor allem danken wir dafür, dass wir Dich gehabt haben! Wir wünschen Dir alles Gute, wo immer Du jetzt sein magst.
Christoph Gisinger
Institutsdirektor Haus der Barmherzigkeit